Die 4 Fs: Rumalbern als Lösungsstrategie?
Das Verhalten unserer Hunde können wir nicht immer nachvollziehen. Warum tut ein Hund, was er tut? Eine hilfreiche Möglichkeit, ihr Verhalten zu verstehen, ist die Betrachtung der sogenannten "4 Fs":
1. Fight (Kampf),
2. Flight (Flucht),
3. Freeze (Erstarren),
4. Fiddle About (Herumalbern).
Diese Verhaltensweisen sind Reaktionen auf verschiedene Reize, Situationen oder Konflikte, die unsere Hunde im Alltag erleben und für die sie gerade keine richtige Lösung haben. Aber schauen wir nicht zuerst auf unsere Hunde, sondern ich möchte mit folgendem menschlichen Beispiel beginnen.
Stell dir vor, du gehst in ein Restaurant und möchtest dort essen. Die Bedienung teilt dir allerdings mit, dass du leider die falsche Kleidung für dieses Lokal trägst und du daher 1. kein Essen bekommst und 2. das Lokal wieder verlassen musst. Eine besondere Situation, die einen verunsichern kann, ein Konflikt.
Wie reagierst du?
1. Das lasse ich mir nicht bieten! Ich beschimpfe die Bedienung aufs Übelste. Womöglich werde ich handgreiflich.
2. Ich bin verunsichert, es ist mir irgendwie peinlich, also nehme ich meine Tasche und verlasse schleunigst das Lokal.
3. Ich bleibe einfach sitzen. Tue so, als hätte ich es nicht gehört. Abwarten & unauffällig verhalten.
4 Ich überspiele die Situation. Vielleicht scherze ich selbst über meine Kleidung... Oder ich stehe wieder auf und behaupte lachend: "Ich wollte sowieso gerade gehen, euer Lokal gefällt mir nämlich nicht. Voll spießig hier!"
Erkennst du die 4Fs? Bestimmt. Klar ist aber auch, dass keine dieser Reaktionen wirklich souverän ist. Es sind Notlösungen, weil du mit der Situation überfordert bist. Denn du könntest auch in einen Dialog treten und die Angelegenheit selbstbewusster lösen.
Nun zu unseren Hunden:
Du bist mit deinem Hund auf dem Weg zum Park, an einer Ecke steht ein großer, unbekannter Hund. Ihr könnt beide nicht so richtig einschätzen, ob der in Ordnung ist.
Was reagiert dein Hund, wenn ihr dem anderen Hund näherkommt? :
1. Er geht direkt in den Angriff, zieht an der Leine, bellt aggressiv und könnte bei Kontakt vielleicht sogar beißen.
2. Er dreht sich um und versucht sofort die Flucht zu ergreifen.
3. Er bleibt wie angewurzelt stehen. Möchte sich keinen Meter mehr bewegen und schon gar nicht in diese Richtung.
4. Er macht eine kurze Vorderbeintiefstellung, hüpft dann zur Seite und wiederholt dies vielleicht mehrmals.
Hunde sind Individuen und reagieren unterschiedlich auf die gleichen oder ähnliche stressige oder verunsichernde Situationen – so wie wir Menschen. Die Art und Weise, wie ein Hund auf eine bestimmte Situation reagiert, hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich seiner genetischen Veranlagung, seiner Sozialisation, seinen bisherigen Erfahrungen und seiner Persönlichkeit. Es ist wichtig zu betonen, dass es keine universelle Antwort auf stressige oder verunsichernde Situationen gibt, die auf alle Hunde zutrifft. Ein entspannter, souveräner Hund würde hier sicherlich anders reagieren. Er würde zum Beispiel einen Bogen laufen und "Calming Signals" aussenden. Eine Reaktion mit einem der 4 Fs, ist immer nur eine Notlösung und ein Zeichen für Überforderung.
Hier noch mal die einzelnen Fs genauer betrachtet:
1. Fight (Kampf):
Die Kampfreaktion ist eine natürliche Antwort auf mögliche Bedrohungen oder stressige Situationen. Wenn ein Hund sich bedroht fühlt oder überfordert ist, wird er versuchen, die Situation zu lösen. Die Kampfreaktion tritt auf, wenn ein Hund sich in die Enge getrieben fühlt und keine Fluchtmöglichkeit sieht. Es ist jedoch auch eine Typfrage. Der eine reagiert mit Angriff, der andere mit Flucht, Freeze oder Fiddle about. Eben nicht. Ein Hund kann aggressives Verhalten zeigen, um sich selbst zu verteidigen oder seinen Besitz zu schützen. Dies kann sich durch Knurren, Bellen, Zähnefletschen oder sogar Beißen ausdrücken. Es ist wichtig zu beachten, dass aggressive Reaktionen oft auf Angst oder Unsicherheit zurückzuführen sind und nicht notwendigerweise auf eine grundsätzlich aggressive Natur des Hundes hinweisen.
2. Flight (Flucht):
Die Fluchtreaktion ist ebenfalls eine natürliche Antwort auf Bedrohungen oder stressige Situationen. Wenn ein Hund sich bedroht oder überfordert fühlt, kann er versuchen, sich aus der Situation zu entfernen, nicht in dem er angreift, sondern die Fucht ergreift. Die Flucht ist ein Überlebensinstinkt und sollte nicht als Zeichen von Schwäche oder Feigheit interpretiert werden. Es ist eine absolute defensive Reaktion. Es ist wichtig, dass Hundebesitzer die Anzeichen für Fluchtverhalten erkennen und den Hunden die Möglichkeit geben, sich sicher zurückzuziehen, wenn sie dies benötigen.
3. Freeze (Erstarren):
Das Erstarren kann ebenso eine natürliche Antwort auf Bedrohungen oder stressige Situationen sein. Ein Hund bleibt still und bewegungslos, in der Hoffnung, dass er dadurch für eine mögliche Bedrohung unsichtbar wird. Es ist wichtig zu erkennen, wenn ein Hund erstarrt, da dies ein Zeichen dafür sein kann, dass er sich unwohl oder gestresst fühlt. Hier ist es meist hilfreich, selbst in Bewegung zu bleiben, um dem Hund eine Handlungsmöglichkeit aufzuzeigen. Wichtig ist, dass du das Verhalten erkennst und deinem Hund hilfreich zur Seite stehst. Kontraproduktiv ist sicherlich, selbst zu erstarren und immer wieder von deinem Hund zum anderen zu gucken. Stattdessen könntest du dich einmal kurz schütteln, deinen Hund verbal oder taktil einladen, dir zu folgen: Du könntest selbst den Rückzug antreten oder einen großen Bogen um den anderen Hund laufen. Dies ist immer eine gute Möglichkeit, um einem Konflikt auszuweichen. Eine freundliche Hundebegegnung ist niemals frontal, sondern stets im Bogen.
4. Fiddle About (Herumalbern):
Das Herumalbern oder Überspielen ist eine ebenso natürliche Antwort auf mögliche Bedrohungen oder stressige Situationen. Wenn ein Hund sich bedroht fühlt oder überfordert ist, kann er versuchen, die Situation dadurch zu lösen, dass er herumalbert. Er überspielt, dass er überfordert ist und nicht weiß, wie er richtig reagieren soll. Er macht den Clown. Dieses Verhalten kann sich in übermäßigem Schwanzwedeln, aufgeregtem Herumspringen und einer kurzen Vorderbeinetiefstellung äußern. Alles ist etwas hektisch und stakatohaft. Der Hund tut zwar so, aber in Wirklichkeit hat er keinen Spaß an der Situation. Aber er kann vielleicht den anderen Hund animieren, in eine andere Stimmung zu kommen. Das kann vor allem bei jungen Hunden funktionieren.
Als Hundebesitzer:in solltest du darauf achten, die individuellen Anzeichen und Signale deines Hundes zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Dies erfordert ein gutes Verständnis für seine Persönlichkeit und seine Bedürfnisse. Die Kommunikation mit deinem Hund und die Fähigkeit, seine Emotionen und Bedürfnisse zu verstehen, sind entscheidend, um ihm in stressigen Situationen angemessen zu helfen und ihm Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln. Wenn du unsicher bist, wie du auf das Verhalten deines Hundes reagieren sollst oder wenn ihr wiederholt in unangenehme Stresssituationen geratet, die euch überfordern, kann die Unterstützung einer qualifizierten Hundetrainerin oder Verhaltensberaterin sehr hilfreich sein. Ich unterstütze euch gern.
Fazit:
Welche dieser vier F-Möglichkeiten dein Hund wählt, hängt von der Rasse, den Lernerfahrungen, der Situation, dem Grad der Unsicherheit und vorangegangenen Erfolgen mit diesem Verhalten ab. Wichtig ist, dass du sein Verhalten richtig einordnest und nicht sein Verhalten spiegelst oder dich auf eine ähnliche ungute Energie einlässt. Super ist es, wenn du ihm hilfreich und ruhig zur Seite stehst bzw. eine entspannte Führung übernimmst. Dann hat dein Hund die Chance bessere Bewätigungsstrategien als eines der 4Fs zu entwickeln.